Reise in ein nicht so fernes Land

Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort

2 Sofia, ein wieder bekannt machen

3 Wandern im Rilagebirge

4 Sandanski und Melnik, Perlen des Südens

5 Thessaloniki, Metropole an der Ägäis

6 Varna, ein Kurztrip

7 Schumen, Wiege Bulgariens

8 Im Auge Gottes

9 Wo Krassimir Balakow kicken lernte

10 Kleine Abschiedsrunde

1 VORWORT
Wieder einmal lockt die Ferne. Von 2022 bis 2024 hatte es mir
das Baltikum angetan. 22 und 24 mit Fahrrad und dazwischen mit
meiner Gattin Monika und einem PEUGEOT 207.
Für 2025 hatte ich mir mit meinem Klasssenkameraden Rolf Anschütz etwas
Besonderes vorgenommen. 55 Jahre nach unserem Erstbestieg des
Maljowitza, im bulgarischen Rilagebirge 2.729 m hoch gelegen, es
noch einmal mit einem Trip nach Bulgarien und ins Rilagebirge zu
versuchen.

Selfie: KuRo

Mit zwei anderen Studentinnen aus meiner Greifswalder Seminargruppe und Rolf bereisten wir 1970 über vier Wochen das gesamte Land – mit dem Zug von Greifswald bis Sofia hin und zurück und in Bulgarien trampen und wandern.

In den folgenden beiden Jahren genoss ich mit meiner Verlobten
Monika, spätere Ehefrau und Mutter unserer beiden Kinder, die
Gastfreundschaft der Bulgaren*Innen. Dabei lernten wir in
Schumen, zwischen Russe und Varna gelegen, die Familie Stoyanowi vom Taxifahrer Yordanov Stoyanov kennen. Der Kontakt ist sehr eng und hat bis heute Bestand. So gehört die 1976 geborene Plamena fast zu unserer Familie. Anfang 2000 lebte sie 5 Jahre in unserem Haushalt, als sie in Greifswald und Stralsund arbeitete. Sie war Mit-bzw. Hauptorganisatorin dieser Reise, da sie sich um Flüge, Unterkünfte sowie Reisemöglichkeiten kümmerte. Am 05. November 2025 trat ich mit ihr den Rückflug von Varna nach Berlin an. Sie besuchte ihre Mutter Radoslawa sowie ihre Söhne Mitko und Matheo hat sie doch inzwischen ihren Lebensmittelpunkt von Schumen in die Nähe von
Stralsund verlegt.


2 SOFIA, ein wieder bekannt machen

Mein Wanderpartner Rolf erwartete mich bereits am 8. Oktober
abends in Sofia in unserer zentral gelegenen Unterkunft, einem
YOUTH HOSTEL.

Rezeption und Aufenthaltsraum

In der großen Rezeption, die gleichzeitig Aufenthalt- und Speiseraum ist, hatten wir sehr interessante und unterhaltsame Gespräche mit Gästen u.a. aus Australien, Indien, Frankreich und Deutschland. So erfuhren wir, dass es in den Mittelgebirgen in dieser Woche sehr stark schneite, und dass die Gebiete um die 7-Seen im Rilagebirge nur schwer zu erwandern seien. Na ja, wir sind ja flexibel…

Unsere Zimmer waren nicht im Haupthaus am Macedoniaplatz sondern etwa 800 m entfernt in einem leergezogenen Miethaus. Wie die ehemaligen Briefkästen anzeigen, stand dieses Haus im Innern eines Häuserkomplexes schon seit längerem leer.

Am nächsten Tag durchstreiften wir das Zentrum von Sofia mit den Ausgrabungen der Bauten aus der Römerzeit, der russischen Kirche sowie dem Platz der Nationalversammlung.

Zur Mittagszeit waren wir ganz zufrieden, dass wir ein Bistro fanden, in welchem das Speisenangebot ausgestellt war. Es mundete uns sehr, worüber der Koch auch recht zufrieden war.

Sehr große Auswahl aus einer kleinen Küche und gutem Koch

Im Bereich der U-Bahn hörten wir auf den Gängen viele Musiker spielen und eine Mutti gestattete mir, ihre Zwillinge ins Visier zu nehmen.


Als sich der Morgennebel verzogen hatte, bemerkten wir, dass sich die Gipfel des Vitoschagebirges ein weißes Kleid übergestreift hatten und so sind wir mit U-Bahn und Bus bis zur Bergstation des des Lifts gefahren, der momentan nicht im Betrieb ist. Der Busfahrer hielt weit entfernt von einer Bushaltestelle, um zwei Snowboader einsteigen zu lassen..


Bei unserem Abendspaziergang auf dem Vitoscha Boulevard konnten wir uns an die mit Straßenbahnen, O-Bussen, Lkw und PKW dicht befahrene Straße von 1970 erinnern. Wir bewegten uns häufig in diesem Stadtteil, hatte doch unser Bekannter, der Rechtsanwalt Zdrawko Welkow, in dieser Straße seinen Kanzleisitz.

Vor einigen Jahren wurde diese Straße zu einer beliebten Fußgängermeile umgestaltet.

Im Hintergrund ragt das Vitoschagebirge empor

Am nächsten Tag sind wir auf Umwegen bis nach Samokow gelangt, eine uns aus den 70er Jahren bekannte ehemalige Handwerkerhochburg im nördlichen Vorland des Rilagebirges.

Der berühmte Brunnen diente uns auch damals schon als Fotoobjekt.

Zwei Wanderbereite, Brunnen und Gebetsturm

3 Wandern im Rilagebirge

Mit einem Kleinbus erreichten wir abends den etwa 1.400 m hoch gelegenen Komplex Maljowitza, ohne eine Übernachtung vorgebucht zu haben.

Obwohl die Dame an der Rezeption des ALPINIST Hotels zunächst nur Gäste aufnehmen wollte, die vorher eine Buchungsbestätigung erhalten hatten, bekamen wir ein Apartment durch die tatkräftige Unterstützung eines sehr rührigen Sportinstrukteurs.

War der Preis mit den umgerechnet 40 € für beide incl. Frühstück für ein Apartment schon eine große Überraschung, so waren wir nach der Führung durch das Haus sehr überrascht: 25 m Hallenschwimmbad, fünf verschiedene Saunen sowie verschiedene Fitnessräume standen uns zur Verfügung. Da für morgen „Draußen Fitness Programm“ anstand, nutzten wir intensiv die Entspannungsmöglichkeiten. Vor 3 Tagen sah es am Hotel noch so tief verschneit aus:

Über Nacht setzte etwas stärkerer Regen ein, so dass der vor einigen Tagen gefallene Schnee taute. Es blieb uns aber dennoch nichts anderes übrig, als sich für den Tag auf Wandern durch Schnee einzustellen.

Beim morgendlichen Rundgang im Hotel sah ich eine liebevoll eingerichtete Vitrine mit historischen Bergwandersachen.

…immer wieder die unverwüstliche Lederhose…

Darüber hinaus befand sich im Hotel eine sehr umfangreiche Ausstellung über die von Mitgliedern dieses Alpinistenvereins durchgeführten Expeditionen: Von Patagonien über den Mount Everest, aber auch Erstbesteigungen in den 30er Jahre in den Alpen und direkt an den seitlichen Steilwänden des engen Malyowitzatales.

Rolf hatte leider nur seine flachen Wanderschuhe mitgenommen, weil er nicht mit Schnee rechnete. So überraschte er mich mit dem Satz:“ Eines musst du wissen. Reiner, durch Schnee werde ich nicht gehen!“ Nach einem etwas ausführlicheren Meinungsaustausch einigten wir uns darauf, dass wir es gegen Mittag zumindest versuchen würden, die Berghütte Maljowitza zu erreichen.

Kleiner Wasserfall in der Maljowitza

Mit dem Wandern ging es besser als erwartet. Bedingt durch das Tauwetter verwandelte sich zwar manchmal der Wanderweg in einen Bach bzw. in große Schneematschflächen. Einmal rutschte ich aber dennoch aus und fiel seitlich in eine größere Schneematsch-Wasserlache. Es war aber auszuhalten. Zumindest hatte ich mich nicht verletzt.

Es scheint doch gut zu laufen…

Nach knapp drei Stunden erreichten wir unser Ziel, die auf einer Höhe von 1.960 m befindliche Berghütte. Die Wolkendecke hatte sich gegenüber mittags weiter nach oben verschoben, so dass wir durchgehend gute Sicht hatten.

Erstes Ziel geschafft, trotz Bedenken

In der Hütte erholten sich zwei bulgarische Familien und wir trafen auch unsere Wanderin aus dem Hotel wieder. Es gab leider kein Mittagessenangebot. Wir halfen uns aber untereinander mit Speisen und Getränken aus.

Wir schauten uns die Zimmer der Berghütte an. Seit unserem Besuch 1970 hatte sich aber nicht viel geändert. Ich habe mich dann draußen noch etwas umgesehen und nur geringfügig den weiteren Weg getestet. Wir würden beim Weitergehen spätestens nach einer dreiviertel Stunden voll in der Wolkensuppe stecken. Unsere Entscheidung zur Rückkehr war also richtig.

Die Wegehinweise sind alle mit Hand geschrieben und mehr als ein halbes Jahrhundert alt, mindestens älter als 1970.

Die Sicht war recht gut, so dass eigentlich das ALPINIST Hotel zu sehen sein müsste. Und wir hatten Glück zumal die Sonne teilweise direkt auf den Komplex schien. Ich war aber doch über das Objektiv des Samsung S 22 Smartphones überrascht.

Etwa 14.30 Uhr traten wir den Rückweg an und wir staunten nicht schlecht: Als Erster kam uns ein oberkörperfreier Snowboardfahrer entgegen. Er trug nur Hosenträger zu seinen kurzen Hosen. Das Board trug er locker über der Schulter. Wollte er vielleicht in der Hütte schlafen? Am nächsten Morgen weiter hoch und über Tiefschneehänge bis zur Hütte zurück. Mindestens ab der Hütte wird er es bergab wieder schultern müssen.

Der weitere Weg oberhalb der Berghütte

Es folgte eine Gruppe von fünf Personen, die bearbeitete Holzlatten bzw. Bretter trugen; offensichtlich sollen sie für Reparaturen in der Hütte verwendet werden. Neben kleineren Gruppen kamen uns etwas später ca. 20 gut gelaunte Frauen und Männer einer Reisegruppe entgegen. Insgesamt waren es 45 Personen und vier Hunde, die vermutlich ihr Nachtquartier in der Hütte nahmen. Ihr könnt Euch sicher vorstellen, wie ich es bedauerte, dass mein Smartphone-Akku inzwischen leer war.

Die Erholung im Schwimmbad und in der Sauna tat uns beiden recht gut, sollte es doch morgen auf der Wanderung in unbekanntes Terrain gehen. Das Tagesziel war noch nicht endgültig festgelegt. Die Berghütte Vada oder vielleicht doch eine der 7 Seen Hütten stehen zur Auswahl an. Trotz der gestrigen Widrigkeiten beim Wandern sahen wir die gestrige Entscheidung als richtig an. Wir gewannen ein bisschen Erfahrung und Zuversicht hinsichtlich der momentanen Wanderbedingungen. Dieses Tal war doch der vorrangige Grund für unsere jetzige Reise.

Wir hatten noch mit der Familie eines Sofioter Luftsicherheitsexperten und mit einem Berliner Vater sowie seinen zwei erwachsenen Töchtern nette Gespräche. Die bulgarische Familie wünschte uns auch für unsere Wanderung gutes Gelingen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass es nicht der letzte Besuch in diesem herrlichen Tal gewesen ist. Es wird aber möglicherweise sinnvoll sein, den Oktober zu vermeiden.

Von bulgarischen Freunden hatten wir in den 70er Jahren eine Neujahrskarte von diesem Tal erhalten. Auch wenn sie nicht in Farbe ist, mit dieser Aufnahme könnt ihr vielleicht den besonderen Reiz dieser Landschaft nachempfinden.

Die nächste Wanderung zur Berghütte Vada sollte auf kurzem Wege so ca. 12 km lang sein, durch zwei Gebirgsbachtäler führen und der Weg etwa im Bereich um 1.500 m Höhe liegen.

Der schmale Pfad war mit roten und weißen Wegemarkierungen an den Bäumen gut gekennzeichnet. Wir hatten offensichtlich von der Straße weg die erhoffte Abkürzung gefunden. Denn kurz vor der Brücke über die Malyowitza kam von rechts ein sehr breiter Weg hinzu.

Es bewahrheitete sich schnell, dass der Schnee uns weniger Sorge bereiten würde. Bei Abstiegen musste besonders verhindert werden, auf den frei liegenden Baumwurzeln auszurutschen.

Der Gebirgsbach in Richtung Govedarzi erfreute besonders unsere Sinne.

Die Brücke war zu unserer Freude gut begehbar…

Es kam der Punkt für unsere Entscheidung: Auf einen Kammweg einbiegen und dann bis in das Gebiet der 7 Seen gelangen, dabei sich ab einem gewissen Punkt, oberhalb der 2.200 Höhenmeter aufzuhalten. Zusätzlich durchgehend in den Wolken zu stecken und keine andere Möglichkeit zur Verfügung zu haben. Die Alternative war, weiter „unten“ zu bleiben und in der VADA Berghütte oder in der Hütte LOVNA zu übernachten. Die Entscheidung war schnell und einmütig getroffen!

Kammweg oder kleineres Risiko ?

Nach einer weiteren knappen Stunde sind wir glücklich in der Berghütte VADA angekommen.

Die Berghütte war mit Sonntags(feier)gästen bereits fast voll besetzt; Platz ist aber bekanntlich in der kleinsten Hütte. Aus der näheren Umgebung ist es Gewohnheit, am Sonntagnachmittag gemeinsam beim Hüttenwirt zu feiern, da waren wir doch richtig…

Ein Gast erzählte uns, dass er für GOOGLE 360 ° Videos in Deutschland erstellte. Es wurde dabei nur in Englisch kommuniziert. Deshalb hatte er unsere Sprache nicht erlernt. Hier im Gebirge ist es  nicht verwunderlich, dass viele Männer bei der Forstwirtschaft arbeiten. Stolz wurde der Vati vom Sohnemann nach Hause gefahren:

Am nächsten Morgen hatten wir uns entschlossen, als nächstes Ziel Saparewa Banja anzusteuern. Wir machten Pause an dem `Pionierski Lager`, in dessen Nähe sich ein Lift zu den 7 Seen befindet. Wir sahen eine Reihe Techniker, die die Lift- und Pistenraupenrevision für die bevorstehende Schneesaison vornahmen. Ich probierte unterdessen auch mal unsere Technik aus.

Wir sahen an einem Bistro- und Verkaufsstand Katzen, die als „Standbetreuerinnen“ eifrig ihre Arbeit verrichteten.

In Saparewa Banja befindet sich die heißeste Heilquelle Europas. Es war sofort als Kur- und Heilbad zu erkennen.

Im Zentrum des Heilkurenbades

Plamena hatte bereits eine günstige Unterkunft vor der Reise herausgefunden. Diese nutzten wir für zwei Tage.

Bei der Wanderung sind wir am nächsten Tag wieder etwas in Richtung Gebirge hochgegangen und orientierten uns gleichzeitig an Hinweiszeichen zur Kirche der Sveta Petka. Auf dem Balkan ist diese Heilige in der Bevölkerung sehr beliebt, weshalb sie sehr oft Schutzheilige dieses Ortes ist. Wie der Zufall es wollte, hatte Sveta Petka heute ihren Namenstag, was wir auch beim Vorbeigehen an der Kirche bemerkten.

Am Waldrand sahen wir außerhalb des Ortes Geländebefestigungen, die auf eine sportliche Einrichtung schließen ließ. Und was entdeckten wir zu unserer großen Freude? Einen großen Komplex mit mehreren Wasserbecken mit warmen oder einmal auch kalten Mineralwasser. Glücklicherweise hatten wir uns vorsorglich Bade- und Saunasachen eingesteckt, so dass wir die Möglichkeiten intensiv nutzen konnten.

Mineralbad- und Saunakomplex RILA.ROCK
Wir ließen es uns richtig gut gehen…

Wir konnten so erfreut feststellen, dass sich bisher die Momente der Anstrengung mit denen der Ruhe und Entspannung für zwei 75-jährige in einem aushaltbaren Verhältnis befanden.

Auf unserem Rückweg bemerkten wir, dass zum kirchlichen Namenstag die Anzahl der Gäste in der Kirche Sveta Petka deutlich zugenommen hatte. Auf dem Gelände befanden sich mehrere überdachte Sitzmöglichkeiten und wir wurden eingeladen, bei ihnen Platz zu nehmen und mit zu essen.

Brunnen an der Sveta Petka

Wir bemerkten, dass sich in der Runde keine Frauen befanden. Einige Frauen der Gemeinde kamen etwas später mit Töpfen und großen Taschen und holten sich für zu Hause ihre Suppe ab. Später sahen wir in der Kirche, dass viele junge Familien mit ihren Kindern der Schutzheiligen gedachten.

Unser nächstes Ziel wird Sandanski mit einem Abstecher nach Melnik sein. Mit dem Bus fuhren wir zunächst nach Dupnitza (ehemals Stanke Dimitrov) und nach einer kleinen Pause weiter bis Blagojewgrad. Auf dieser Fahrt hatte ich im Bus mit Michail ein sehr interessantes Gespräch. Er ist Gymnasialschüler der 11. Klasse mit Spezialausrichtung deutsche Sprache.

Voller Zuversicht in die Zukunft

Er träumt davon, Architektur zu studieren, vielleicht in München. Er sprach betrübt davon, dass seine Freundin vor einigen Wochen für vierzehn Tage in Deutschland weilte und sie ziemlich häufig abweisend sowie unfreundlich behandelt wurde. Mit Rolf kann ich über unsere bisherigen Erfahrungen nur Positives berichten: Stets wurde uns hilfsbereit, zuvorkommend und interessiert begegnet.

4 Sandanski und Melnik, Perlen des Südens

Am Nachmittag trafen wir auf dem neuen Busbahnhof in Sandanski ein. Nachdem wir erfuhren, dass unser nächstes Quartier zwar in Nähe des Zentrums liegt, aber dennoch ca. vier Kilometer entfernt ist, nahmen wir uns ein Taxi. Angekommen an dem Häuserkomplex mit modernen Apartmentwohnungen erhielten wir nach kurzer Wartezeit unsere Schlüssel.

Kurz vor zehn Uhr fuhren wir mit einem älteren VW-Kleinbus zum Kloster Roschen, kurz hinter Melnik gelegen. In diesem Kloster leben und arbeiten Mönche und es wird eine umfangreiche und vielfältige Landwirtschaft betrieben. Wir bemerkten u.a. Weinfelder, eine Kuhherde, Bienenkästen und Felder.

Nach Chroniken, die in Athos aufbewahrt werden, wurde das Kloster bereits im Jahre 890 gegründet.


Ich bemerkte im Innenbereich einmal kurz einen Mönch. Das gesamte Kloster machte auf uns einen sehr guten Eindruck.

Es war für mich ergreifend, wenn auch nur symbolisch, mit Klosterbrüdern an einem Tisch zu sitzen.

In diesem Speisesaal traf ich zwei Israelis, die vor 35 Jahren von Kiew in den Nordteil von Israel gezogen waren. Sie fotografierten mich und wir kamen ins Gespräch.

Sie hatten sich vorgenommen, zunächst die berühmten Melniker Sandklippen zu erwandern und danach mit dem Leihwagen wieder zurück nach Sandanski zu fahren. Wenn es zeitlich passen würde, könnten sie uns bis Melnik mitnehmen.

Wir sahen uns auch in der Klosterkirche um.

Ich bin auch immer wieder begeistert von der Langlebigkeit von Baumaterialien. Bei Tiefengesteinen kann man das erwarten, aber auch bei Holz?

Diese Treppenstufe mal etwas unter die Lupe genommen:

Wie viele Klosterbrüder mögen über diese Treppen in den mehr als 1.100 Jahre seit seinem Bestehen gegangen sein? Ich vermute, dass zumindest Teile dieser Treppenstufe zur Erstausstattung des Klosters gehörten.

Seit mehreren Jahrhunderten wird dieser Brunnen genutzt. Mehrere Generationen von Touristen mögen diesen als Spendenmöglichkeit nutzen oder…?

… für eine Geldwäsche

Ein Jungrind der Herde des Klosters beobachtete argwöhnisch unseren Weg.

Auf unserem Wanderweg zu den Melniker Klippen wurden wir durchgehend von diesem Hund begleitet.

Bei einem Gespräch mit einem früheren Mitschüler erfuhr ich, dass er einmal in den 70ern bei einer Nord-Süd-Pirin-Durchquerung die gesamten Tage von einer Katze begleitet wurde.

Manche weitere Wegeabsicherung machte auf uns nicht den sichersten Eindruck. Vorteilhaft war es, den Blick auch stets nach unten zu haben, fehlte doch bereits so manche Latte.

Zwischendurch führen auch noch Hirtenpfade sehr steil den Weg hinab und man kann dadurch verunsichert werden.

Und noch etwas:

Im Piringebirge leben bekanntlich Braunbären. Direkt am Wegesrand befand sich meines Erachtens Bärenkot. Ob frisch oder bereits vom letzten Jahr konnten wir als Laien nicht feststellen.

Bei meinen Recherchen zu Bärenkot stieß ich auf folgenden Hinweis https://restaurantesaranjuez.com/identifizierung-von-baerenkot/ und darin folgendes Foto:

Jetzt wurde es mir nachträglich aber doch mulmig. Was ich zunächst nicht ernst meinte. Die Recherche im Internet ergab mit ziemlicher Sicherheit: Wir waren auf den Spuren eines Bären. Die Farbe ist von der Art des Gefressenen abhängig, die Form ist vermutlich als Bärentypisch zu beschreiben.

Aber wann verrichtete der Bär hier seine Notdurft? Da ich jetzt an demText schreiben kann, ist diese Fast-Begegnung gut gegangen…

Auf dem nachfolgenden Pfad ist es hilfreich, schwindelfrei zu sein.

Dadurch, dass uns das israelische Ehepaar mit ins Tal nehmen wollte, würden wir etwas mehr Zeit haben, um uns in Melnik umzuschauen oder mal die Gastwirtschaftsszene in Augenschein zu nehmen.

Wenn wir bei der Variante Wandern geblieben wären, hätten wir wahrscheinlich den Weg durch dieses Tal nehmen müssen. Zuerst wäre aber vermutlich ein recht steiler Abstieg zu bewältigen. Am linken Bildrand sind vermutlich bereits die ersten Häuser von Melnik zu erkennen.

Da ich zunächst keine richtige Erinnerung mehr an Melnik hatte, streiften wir zunächst durch ein etwas unbekannteres Seitental.

Nach diesem Abstecher erreichten wir das Haupttal mit der beeindruckenden Kulisse.

Wir schauten uns schnell nach einer Gaststätte um, wenn möglich auf traditionell bulgarische Art eingerichtet. Und wir hatten Glück und konnten auch mal gleich meines der üblichen Spiegel-BILD-spiele treiben:

Die Gaststätte entsprach in jeder Hinsicht unseren Erwartungen.

Ein Tag voller beeindruckender Bilder und Eindrücke ging zu Ende. Unser Kleinbus brachte uns pünktlich nach Sandanski. Beim abendlichen Spaziergang erinnerten wir uns ein Hinweisschild zu einer Irischen Kneipe.

Vor 25 Jahren kam der Betreiber des Pubs aus Essen nach Sandanski

Wir waren an diesem Abend vorher im Theater. Für uns leider Sprechtheater, also eine Möglichkeit, den Tag ruhig ausklingen zu lassen…

Im Pub erfuhren wir, dass die bulgarische Ehefrau des Pub Betreibers die Organisatorin des von uns besuchten Jugendstückes ist. So erreichen sie Jugendliche mit dem Interesse zum Schauspielen und zum Singen.

Der folgende Tag startete zunächst ohne Plan, ein bisschen die Stadt erkunden, vielleicht eine der Heilquellen direkt in der Natur aufsuchen oder … oder… Fachmännische Auskunft erhielten wir jedenfalls nicht. Die örtliche Tourist Information war durchgehend geschlossen, obwohl sie geöffnet sein müsste.

Also ermittelten wir zunächst die Busabfahrtszeiten für unsere zwei morgigen längeren Busfahrten. Rolf wollte rechtzeitig in Sofia zu seinem Heimflug nach Prag ankommen und mich zog es weiter in den Süden, nach Thessaloniki. An dem im Stadtzentrum gelegenen Busbahnhof erhielten wir nicht die gewünschten Auskünfte, aber unmittelbar daneben lag der von uns bereits vergeblich gesuchte Bauernmarkt. Und der ist ja wohl seit Jahrhunderten die Quelle der Nachrichten. so sollte es auch uns hier geschehen. Wir trafen Katja, eine deutsche Volkswirtschaftlerin, die seit 2,5 Jahren mit ihrem Dimitros in der Nähe von Sandanski lebt.

Endlich mal wieder süße Pfirsiche, wie früher

Sie war gestern mit ihren, in Sachsen/Anhalt lebenden, Eltern auf Urlaubsausflug bei BABA VANGA , einer hoch verehrten Heiligen, die ihre Wirkungsstätte neben einer berühmten Naturheilquelle hatte. Katja empfahl, sich ein Taxi zu nehmen und die Rückfahrt ebenfalls gleich abzusprechen.

Gesagt getan. Vor uns sollten wunderbare, erholsame und inhaltsreiche Stunden liegen. Im gelben Peugeot 308-Taxi und einem netten Fahrer ging es los.

Mit dem Taxi fuhren wir zur Heiligenstätte der blinden und hoch verehrten BABA VANGA sowie zum Mineralnaja Banja. Wir erfuhren, dass in der Nähe dieser Naturheilquelle der Macedonier Alexander der Große eines seiner Heerlager aufgeschlagen hatte.

Es gab einen Bereich, in dem separat ein Hallenschwimmbad sowie mit Kacheln ausgelegte Bademöglichkeiten angeboten wurden. Wir entschlossen uns, den freien Naturbereich zu nutzen. Wohlahnend und von Katja vorher erwähnt, dass wir es damit auch mit schlammigem Untergrund zu tun haben werden.

Beim Besuch des Museums für BABA VANGA und der Kirche bemerkten wir, dass gerade für ein Hochzeitspaar Fotos erstellt wurden. So haben wir natürlich Glück für das gemeinsame Leben gewünscht.

Wohltuend erholt und voller neuer Eindrücke brachte uns der Taxifahrer zurück zur Sandanskier Busstation. Dort klärten wir gleich noch auf einfache Weise am FLIX Bus Schalter die gültigen Tickets für unsere beiden Busfahrten ab.

Danach liefen wir ins Zentrum auf einem neuen Weg. Wir gingen ohne große Kaufwünsche, mehr Interesse halber in einen Lebensmittelladen. Uns fiel sofort das ungewöhnlich breite Warenangebot auf. Die beiden unten abgebildeten Herren waren im Geschäft im Gespräch. Wir unterhielten uns mit ihnen und erfuhren, dass dieses Geschäft von einer Baptistischen Gemeinde betrieben wird und dass der links abgebildete Herr den Laden betreibt und gleichzeitig der Gemeindepastor ist.

Pastor Dimitr Podgorski mit dem Arzt der Glaubensgemeinschaft

Wir wurden durch die Tür, die zwischen beiden Herren sichtbar ist, vom Laden in die Gemeinderäume gebeten. Sie zeigten uns die Arztpraxis sowie den Kirchensaal.

Wir durften sogar bis in die Spitze der Turmkuppe, von der aus ich ein Video der Stadt Sandanski aufnahm und Rolf fotografierte

Zur Verabschiedung schenkte der Pastor uns ein von ihm verfasstes Buch sowie eine aus Holz gefertigte Darstellung des Gebäudes der Baptistengemeinde. Völlig zufällig hatten wir tolle Einblicke in eine für uns (bisher) verschlossene Welt erhalten.

Nach wenigen hundert Metern unterhielten sich in einer Garage zwei Personen in deutscher Sprache. Die ältere Dame warim Verabschieden und so lernten wir einen ehemaligen Luxemburger kennen, der sich“ heiliger Hans“ nennt. Ursprünglich arbeitete er im Metallbereich und seit etwa 25 Jahren lebt er zufrieden im warmen Sandanski. Er hat für die Waldarbeiter eine spezielle Axt entwickelt. Damit scheint er hier gut durchzukommen, zumal sein Ehrgeiz, sich die Heimatsprache anzueignen nach eigenen Angaben sich sehr in Grenzen hält.

Auf der anderen Straßenseite war ein Nachbar gerade bei der Weinernte und ich hatte mal wieder einen Mann auf einer Treppe stehend arbeiten gesehen…

Auf dem Weg durch das Zentrum fielen uns viele Old Cars vor einem Hotel auf. Wir sahen einige Young Models und unterhielten uns mit Nikolay Goltschev, dem Organisator der am nächsten Tag beginnenden Süd-Pirin-Ralley. Im Gespräch erwähnte er, dass er einige deutsche ehemalige Radfahrgrößen persönlich kennt und bereits auf der Insel Rügen bei mehreren Sportevents die Organisation unterstützte.

Im Zentrum ergab sich noch ein nettes Gespräch mit einer Sofioter Journalistin und Autorin. Frau Tsetska Bonchina hält sich mit ihrem Gatten sehr gern im Süden Bulgariens auf.

Zum Abend gab es wieder das obligatorische Treffen jugendlicher Biker…

Wir hatten an diesem Tag sehr viel Bewegendes und Abwechslungsreiches erlebt, auch wenn wir ohne große Idee in den Tag gestartet sind.

…und den Abschluss unserer abwechslungsreichen, gemeinsamen Zeit würdigten wir mit einem Abendessen in vermeintlich bester Gaststätte der Stadt. Gut besucht war sie auf jeden Fall. Nur indem wir die Geduld und Hartnäckigkeit für einstündiges Warten aufbrachten, konnten wir die Idee zum Abendessen auch umsetzen.

Am Samstag kam der Flixbus pünktlich aus Sofia an, um 9.40 Uhr die Weiterfahrt nach Thessaloniki antreten zu können. Rolf begleitete mich bis zur Abfahrt; sein Bus nach Sofia war für eine gute Stunde später avisiert.

Hier hieß es also sich voneinander zu verabschieden, nach bewegenden und abwechslungsreichen Tagen.

Rolf in den Norden und mit Flug ab Sofia nach Prag und ich zu neuen Abenteuern weiter in den Süden sowie später nach Bulgarien zurück.

Ein kleiner Blick in Künftiges: Am nächsten Montag also übermorgen wird der gleiche bulgarische Busfahrer mich abends von Thessaloniki nach Sofia fahren und in Sofia bei der Busfahrerübergabe den rumänischen Fahrer darum bitten, in Russe mitten in der Nacht einen außerplanmäßigen Halt einzulegen, damit ich dienstags früh günstig nach Schumen weiter reisen kann.

5 Thessaloniki, Metropole an der Ägäis

Gegen 12 Uhr erreichte der Bus Thessaloniki am zentralen Eisenbahn- und Busbahnhof. In der prächtigen Bahnhofshalle führte ein schmaler Gang in eine Kirche, eine griechisch-orthodoxe. Hier in Griechenland ist es bekanntlich die dominierende Religion.

Mit Hilfe von Gästen einer Bar fand ich das knapp einen Kilometer entfernte STAY HOME YOUTH HOSTEL. Ich war überrascht von dem Straßenlärm und von der enormen Verkehrsmenge. Der Unterschied zum vorhergehenden, eher ländlich geprägten, Leben war gewaltig. Mir war vorher gar nicht bewusst, dass im Großraum Thessaloniki 1,3 Millionen Menschen leben. Obwohl das Hostel darauf hinwies, dass die Zimmer erst ab 15 Uhr genutzt werden können, suchte ich meine neue Heimstätte auf, hinterlegte mein Gepäck und begab mich auf die Suche nach dem Geschäft von Vangelis. Seine Gattin Katerina hatte mir vorher per WhattsApp seine Ladenadresse in der Askitou 11 mitgeteilt. Sie befindet sich in einem historischen Marktkomplex. Der Straßenname war auch in unmittelbarer Nähe Einheimischen nicht bekannt. Vielleicht wird für diesen Bereich ein anderer Begriff verwendet oder es lag schlicht an meiner Aussprache. Einmal wurde ich sogar irrtümlicherweise zu einem anderen Vangelis gebracht. Dieser arbeitete in einer, in der dritten Etage befindlichen, Werkstatt. Obwohl die Hilfeversuche zunächst erfolglos waren, gegen die Hilfsbereitschaft von vielen kann ich dennoch nichts sagen.

Schließlich hatte ich doch Erfolg:

Leider nicht mehr so gut frequentiert wie vor der Pandemie

Vangelis verkauft in seinem privaten Unternehmen Gegenstände religiösen Inhalts. So war anhand der gelben Fahne in der Gasse der gesuchte Ort leicht zu erkennen. Vangelis freute sich sehr über unser Wiedersehen nach fast fünfzehn Jahren. Er gab mir die erhofften Tipps für meine Stunden in Thessaloniki und bediente natürlich die eintreffenden Interessenten*Innen, beispielsweise eine Russin, die nach Deutschland ausgewandert ist und nun zeitweise hier lebt.


Er informierte mich, dass er sein Geschäft um 17 Uhr schließen wird und bot mir an, dass wir danach gemeinsam bummeln könnten.

Der nicht einmal einen halben Kilometer lange Rückweg zum Hostel erfolgte unkompliziert und ich belegte mein Zimmer.

Jeder Gast erhielt eine key card für sein Zimmer sowie einen kleinen Schlüssel für ein separates Schrankfach. Im Zimmer angelangt bemerkte ich, dass gleichzeitig mit mir ein Japaner und ein Pole in diesem Raum ab heute schlafen werden. Der vierte Gast lag die ganze Zeit im Bett schlafend oder am Handy spielend, so dass wir kein Wort miteinander wechselten.

Ich war pünktlich in Vangelis Laden und wir unterhielten uns noch ein bisschen. Meinen Schwimmwunsch könne ich mir am ehesten erfüllen, indem ich morgens gegen 9 Uhr einen Ausflugsdampfer nach Agia Triada nehmen würde. Der Abfahrtsort wird am Hafen sein, ich könne das heute Abend noch genauer erfragen.

Auf unserem Spaziergang und beim abendlichen Giros Essen traf er mehrere Bekannte, u.a. einen ihm sehr gut vertrauten Religionslehrer sowie einen Priester.

Wir waren so verblieben, dass ich ihn am Montagnachmittag zum Ladenschluss aufsuchen solle und er mit mir die moderne führerlose U-Bahn erkunden und er mich danach zum Busbahnhof begleiten würde.

Zum Abend war der Hafenbereich extrem stark besucht, es waren vorwiegend Jugendliche. Parallel dazu liefen mehrere Events, ein Dokumentarfilmfestival, eines mit Kinofilmen und eine Messe, auf der Hunde kosmetisch verschönert wurden.

Am Sonntag war ich rechtzeitig am Abfahrtort. Die Fähre legte mit weniger als 10 Gästen ab. Schnell bemerkte ich, dass ein deutsches Ehepaar ebenfalls den Ausflug unternahm.

Am bekannten weißen Turm legte das Schiff im Stadtbereich ebenfalls an.

Der Wind nahm inzwischen heftig zu, so dass das Schiff am zunächst vorgesehenen Steg nicht anlegen konnte. So fuhr er nach Agia Triada zurück und legte mit großer Mühe an.

Wird das Anlegen wohl diesmal klappen?

Mit dem deutschen Ehepaar war ich so verblieben, dass wir uns über die Rückfahrmöglichkeiten mit einem Bus, Taxi oder wieder mit dem Schiff erkundigen wollten und gegen halb drei telefonisch kurzschließen. Für mich war klar, dass ich trotz des heftigen Windes an diesem menschenleeren Strandabschnitten schwimmen werde.

Die Wellen waren fürs Schwimmen nicht so gefährlich, aber frisch war es doch. Ich überlegte mir, dass es auch reizvoll wäre, am wunderschönen Strand zurückzulaufen. Immerhin sind es so um die 30 Kilometer…

Ich ließ es ruhig angehen, und was sah ich am Strand? Ein Irish Pub lud mit Pop Oldies und traditioneller irischer Musik zum Verweilen ein.

Bei der Bierauswahl hatte ich keine Mühe. Seit unseren dreimaligen Irlandurlauben Anfang der 2000er versuche ich eine eher lockere Regel einzuhalten: Jeden Monat genieße ich mindestens „one pint of guinness“. Da konnte ich wirklich nicht einfach so vorbeigehen.

Ich hatte inzwischen das deutsche Ehepaar über mein neues Vorhaben informiert. Für die Idee zum Wandern sprach nicht nur das sonnige Wetter. Ich wusste, dass der Flughafen von Thessaloniki direkt an der Ägäis liegt. Es wird also eventuell möglich sein, ein Flugzeug dicht über dem Wasser zu fotografieren. Als „Küstenbewohner“ hatte ich mich inzwischen auch schnell an den heftigen, auf den Strand treffenden Westwind gewöhnt

Ein Segellehrer und eine sich sonnende junge Griechin sagten mir, dass ich zur Flugzeugbeobachtung bis zu einem großen gestrandeten Schiff gehen könne. Nach der Mittagsruhe würden auch wieder Flugzeuge starten und landen.

Die notwendige Geduld brachte ich auf und die ersten Flugzeuge starteten.

Mir war bewusst, dass ich bisher weniger als 8 km gewandert war. Da üblicherweise um einen Flughafen herum eine größere nicht begehbare Fläche liegt, mute ich entweder mehrere Kilometer wieder zurück nachPerea Beach oder quer über unbekanntes Gelände zu einer Straße gehen, die östlich um den Flughafen herumführt.

Ich entschloss mich für den kürzeren Weg. Es war fast unbebautes Steppengebiet, aber mit mehreren illegalen Schutthalden belegt. Vangelis sagte mir am nächsten Tag, dass es seit Jahren heftige Eigentumsstreitigkeiten um diese Flächen gibt und deshalb nichts vorangeht. Ich kam aber durch und landete von einer Nebenstraße aus direkt auf einer vierspurigen Schnellstraße, die eine Nutzung durch Radfahrer oder Fußgänger nicht vorsah. Auf der linken Seite, etwas außerhalb der Straße, bewegte ich mich am Flugplatz vorbei und wechselte bei einer Kreuzung die Straßenseite. In einem kleinen Gewerbegebiet sah ich mehrere parkende Autos und erhoffte mir die Chance, in die Stadt mitgenommen zu werden. Es stellte sich aber heraus, dass momentan ein Workshop für Friseurinnen durchgeführt wurde und in den nächsten Stunden kein Auto in die Stadt fahren würde.

Ich wurde gebeten, im Schulungs-Raum Platz zu nehmen. Mir wurden Kaffee und Süßigkeiten gereicht. Inzwischen war die Lufttemperatur auf etwa 25° C im Freien gestiegen und schattige Plätze gab es draußen nicht.

Ich lief weiter bis Höhe Flughafeneinfahrt und entschied mich von dort aus mit dem Bus ins Stadtzentrum zu fahren. Der gestrige Spaziergang mit Vangelis erleichterte mir die Orientierung. Auf dem Platz vor dem Galeriusbogen machte ich eine größere Kaffeepause. Dieser spätrömische Triumphbogen wurde in Erinnerung an den Sieg vom oströmischen Kaiser Galerius über die Perser 303 n. Chr. errichtet. Nach Wikipedia entstammte Galerius einer in der Nähe Sofias lebenden Bauernfamilie. Er trat sehr zeitig in das römische Heer ein und machte eine heute kaum vorstellbare Karriere.

Heute ist dieser Platz für Einheimische ein beliebter Treffpunkt und eine Touristenattraktion.

Vor dem Sonnenuntergang war ich im Bereich des Weißen Turmes angelangt und bemerkte zufällig einen Skyline Tower und konnte mit dem Lift in etwa 40 Metern Höhe einen wunderbaren Blick über die Gegend genießen.

Etwas später sah ich am Denkmal Alexander des Großen am Sonntagabend viele Spaziergänger, Tänzer oder Sonnenanbeter.

Vom Aussichtsbereich des YOUTH HOSTELS hatte ich von der 7. Etage aus einen wundervollen Blick über den von mir heute gestreiften Abschnitt der Bucht von Thessaloniki erhalten:

Die Lichter am rechten oberen Bildrand stammen wahrscheinlich von der Strandpromenade in Agia Triada. Vor wenigen Minuten sah ich noch Flugzeuge landen.

Für meinen Frühstückseinkauf war es günstig, dass sich gleich gegenüber dem Hostel ein Discounter befindet. Den konnte ich so in Hausschuhen erledigen.

Nach dem Frühstück machte ich einen kleinen Spaziergang und bemerkte bei der Rückkehr, dass die anderen drei Zimmergäste ihre Zelte bereits abgebrochen haben. Ich hatte ursprünglich für drei Nächte gebucht; im Gemischtzimmer kostete dies lediglich 3 x 17,50 €. Da der FLIX Bus am Montagabend wieder nach Bukarest fahren wird und Dienstag nicht, entschloss ich mich für eine Abfahrt am Montag. Und ich blieb bei der Buchung von drei Nächten, da ich ansonsten mit meinem Gepäck bereits um 10 Uhr das Hostel hätte verlassen müssen.

So kann ich Euch jetzt auch mein Zimmer kurz vorstellen:

So hatte ich kurzzeitig ein Vier-Personen-Zimmer für mich allein. Ich ging vor das Hostel, um einen Espresso unten an der Straße zu trinken.

Meine Hausschuhe habt ihr schon beachtet?

Einige Minuten später trat ein Herr hinzu, mit dem ich mich bereits gestern auf der Terrasse des Dachgeschosses unterhalten hatte. Dabei erfuhr ich, dass er gerade aus Kreta nach Thessaloniki gekommen war. Nun ergab sich im Gespräch, dass meine Vermutung, er sei Grieche, falsch ist. Er heißt Ivan und ist ein slowenischer Imker, der seine Fachkenntnisse in verschiedenen Teilen Europas anbietet. So erzählte er mir, dass er vorher in Witzenhausen bei Göttingen gearbeitet hat und auch bereits in Bremen längere Zeit als Imker seine Dienstleistung anbot. So klein ist die Welt…

Ich hatte mit Ivan ein Video gedreht und parallel über WhattsApp geteilt. Hier verwende ich daraus einen Screenshot. So ergibt sich die etwas schlechtere Bildqualität.

Nachdem ich meine Sachen ordentlich verpackt hatte, traf ich vor dem Hostel Sanda. Ich erfuhr, dass sie aus Cluj in Rumänien stammt und wegen der schlechten Lebensbedingungen in ihrer Heimat auf Arbeitssuche in Griechenland ist. In einer Gaststätte hatte sie über den Sommer einen 7 Tage Zwei-Schicht-Job in einer Gaststätte erhalten, sei aber kräftemäßig damit auf Dauer überfordert gewesen. In Thessaloniki habe sie bisher noch nichts Geeignetes gefunden.

Es war inzwischen mittags. Am Nachmittag wollte ich mich bekanntlich mit Vangelis treffen, so kam ich auf die Idee, Sanda mein Bett für die nächste Nacht anzubieten. Sie war darüber erfreut, und wir klärten mit der Rezeption die Angelegenheit ab. Sanda konnte mein Bett übernehmen, nachdem ich ausgecheckt hatte.

So ging ich etwas eher zu Vangelis und konnte meinen Rucksack im Laden abstellen und mir die Stadt weiter anschauen. Er berichtete mir viel über die Geschichte von Thessaloniki, war sie doch im oströmischen Reich über Jahrhunderte nach Byzanz die zweitbedeutendste Stadt. Er beantwortete mir auch einige Fragen mit religiöser Bedeutung. Zum Ladenschluss gingen wir zur modernen Metro, mit der er bisher noch nicht gefahren war. Vorbei an Ausgrabungsstätten in Untergeschossen gingen wir zur Linie in Richtung Hauptbahnhof. Ich war von dem fahrerlosen Zug ebenso begeistert wie Vangelis. Kurz vor der Einfahrt des Zuges in die Metrostation senkte sich eine Glaswand ab und der Zug hielt millimetergenau an den für den Ein-und Ausstieg vorgesehenen Stellen. Ähnliches hörte ich bereits vom Shinkansen in Japan.


Im vorderen Triebwagen war tatsächlich kein Lokführer und die Fahrt wirkte durch die Geräuschlosigkeit auf mich irgendwie gespenstisch…

Nachdem sich Vangelis freundlich auf dem Busbahnhof von mir verabschiedet hatte, stand das nächste Abenteuer an: Am FLIX Bus-Schalter konnte ich keine Fahrkarte nach Russe lösen, da er von Sofia ohne Halt bis Bukarest durchfuhr (Toilettenpausen natürlich ausgenommen). Der Bus wird in Sofia planmäßig vor 23 Uhr ankommen und nach einer Pause von ca. einer Stunde weiter fahren. Ich könnte im Sofioter YOUTH HOSTEL übernachten, da ich weiß, dass die Rezeption 24/7 besetzt ist. Eine Weiterreise über Nacht wäre nur möglich, wenn der Busfahrer außerhalb des Fahrplanes in Russe nur für mich anhalten würde.

Wie ich bereits erwähnte setzte sich mein Busfahrer für mich ein und er sprach mit dem nachfolgenden Fahrer. Mit ein paar Zusatzeuro wurde ich in Russe von dem freundlichen rumänischen Fahrer zu einem Busbahnhof gegen 2 Uhr gebracht. Nach 5 Stunden des Wartens in ungeheiztem Warteraum bei 4 Grad Celsius Außentemperatur ging es mit einem Kleinbus in Richtung Burgas weiter. Da ich geschätzt bereits zehnmal in Schumen war, fand ich den Weg zur Familie Stoyanowi ohne Probleme. Gegen halb zehn wurde ich von Radoslawa sowie Plamena, ihrer Tochter, freudig begrüßt. Wegen der fast schlaflosen Nacht, war für mich erst einmal ein Ruhetag fällig. Von Plamena erfuhr ich, dass sie mit ihrer Freundin Antonia am nächsten Tag zu einem Einkaufsbummel nach Varna fahren werden. Falls ich Interesse habe, würden sie mich mitnehmen.

6 Varna, ein Kurztrip

Nach dem gemeinsamen Frühstück ging es früh los und in Varna wurde das größte Einkaufscenter mit einem ausführlichen Damenmode schauen und kaufen bedacht. Beim Mittagsmahl stieß die in Varna lebende Freundin Nelli dazu. Ich erhielt nachmittags drei Stunden zur freien Verfügung.

Varna hat einen sehr großzügig angelegten Fußgängerbereich. Auf dem Panoramafoto ist zu erkennen, dass alle von diesem Platz weg führenden Straßen Fußgängerwege sind.

Ich war von der Innenstadt sehr beeindruckt. Parkanlagen sowie mehrere Brunnen- und Denkmalsbereiche lockerten das Stadtbild auf.

Im Hintergrund die Kathedrale von Varna

Ich ließ mich auch einige Male verführen, so z.B. in zwei Keller:

Zunächst wies ein Schild auf einen Schallplattenladen hin. Es führte mich eine Treppe hinunter.

Unten angelangt unterhielt sich der Ladenbesitzer mit einigen interessierten Jugendlichen.

Ich berichtete ihm von unserer umfangreichen heimischen Schallplattensammlung und von unserer Liebe zur Musik. Das Gespräch lief in russischer Sprache recht locker ab. Den darüber verwunderten Jugendlichen erklärte er, dass es vorteilhaft ist, die Gelegenheiten in der Schule und anderswo zum Erlernen fremder Sprachen intensiv zu nutzen.

Etwas weiter sah ich die Staatsoper von Varna. Der Eingang für den Kassenbereich war offen, aber weiter durfte ich nicht hineingehen. Vielleicht würde sich später eine andere Tür öffnen?

Ich ging links um das Gebäude herum. Da sah ich eine offene Tür und eine Treppe, die hinunter in den Keller führte. Es befanden sich auf Straßenniveau eine Sitzgelegenheit und ein Stuhl, auf dem ein Teller stand. Es wirkte fast so wie vor einer kostenpflichtigen Toilette. Dieses Bedürfnis hatte ich zwar nicht, aber Neugierde schadete nur in wenigen Fällen.

Unten öffnete sich ein großer Raum. Zu meiner Überraschung war ich in der Kostümscheiderei des Operntheaters angelangt.

Nach einem kurzen Überraschungsmoment und nachdem ich erklärte, dass ich mich für ihre Arbeit interessieren würde, wurde ich erfreut gebeten, weiter hinein zu kommen. Es würde sich sonst kaum jemand für ihre Arbeit interessieren und nun sieht ein deutscher Tourist nach uns.

Ich sah, dass momentan an Kostümen für „Der Kleine Prinz“ von Antoine Saint-Exupery gearbeitet wurde und erwähnte, dass es zu meinen Lieblingsbüchern gehören würde. Ich bedankte mich für das sehr freundliche Gespräch, welches eine, für mich vermeintliche, Besucherin von Russisch ins Bulgarisch übersetzte.

Einige Meter weiter fiel mir ein sehr großzügig gestalteter Eingangsbereich auf.

Die Twistie Buns ist eine aufwändig mit verschiedenen Früchten oder Süßigkeiten dekorierte Patisserie. Der gebackene Teig hat so eine Konsistenz, dass es empfehlenswert ist, beim Verspeisen die mitgelieferten Messer und Gabel auch zu nutzen.

Zwei Häuser weiter bemerkte ich einen vermeintlichen Gegensatz. Auf einem Haus wird für umgangssprachlich „Mac …“ geworben und in einer darunter liegenden Etage befindet sich eine Sprachschule für Englisch und Amerikanisch mit Muttersprachlern als Lehrer.

In einem der wenigen historischen Häuser aus der bulgarischen Wiederauferstehungsperiode Ende des 19. Jahrhunderts im Zentrum von Varna hatte die örtliche Architektenkammer ihren Sitz.

Ich sah des Öfteren Männer, die auf Leitern für die Verschönerung der Häuserfassaden sorgten und im direkten Umfeld teils argwöhnisch, teils belustigt von Frauen beobachtet wurden. Anfang der 70er Jahre beispielsweise war es noch anders: In den Plantagen von Jankowo arbeiteten die Frauen. Männer saßen an Pfirsichbäume angelehnt, rauchten, tranken und beaufsichtigten fachmännisch die Arbeit der Frauen.

In der Nähe des Marinemilitärmuseums entdeckte ich einen Aufkleber, den es von der Art her vielleicht erst seit kurzem gibt.

Ich hatte es wegen der vielen Ablenkungen leider nicht geschafft, nachmittags im Schwarzen Meer zu schwimmen. Ich kam aber glücklich und mit tollen Erlebnissen fast pünktlich an dem vereinbarten Treffpunkt an. Da Antonia schnell nach Hause zurück wollte, äußerte ich meinen Badewunsch nicht.

7 Schumen, Wiege Bulgariens

Für Schumen hatte ich mir vorgenommen, zunächst das Zentrum und das Monument wandernd zu erschließen. Es wurde 1981 errichtet im Gedenken an das 1.300 jährige Staatsjubiläum von Bulgarien. In unmittelbarer Nähe Schumens befinden sich drei denkwürdige Stätten Bulgariens, mit Pliska die erste Hauptstadt, dann als zweite Hauptstadt Veliki Preslaw und der Reiter von Madara. Er gilt als einer der Hauptkultstätten im Frühmittelalter in der bulgarischen Gründungszeit. Er ist heute auf der 20 Stotinki Geldmünze abgebildet. Da ab 01. Januar 2026 auch in Bulgarien der Euro übernommen wird, verschwindet in absehbarer Zeit diese Darstellungsmöglichkeit für ein nationales Symbol. Ich bemerkte aber einige Male, dass mit dieser Umstellung bei vielen Bulgaren eine größere Angst umgeht, die Angst vor weiteren Verteuerungen.

Da sich dieses Felsenrelief in 23 m Höhe befindet, und damit ohne Drohneneinsatz schwierig zu fotografieren ist, wähle ich heute diese ungewöhnliche Darstellungsart des berühmten Reiters.

Mein Kumpel Rolf erinnerte sich bei der Arbeit an diesem Blog daran, dass er 2019 mit seiner Renate bereits beim Reiter von Madara war. Er stellte mir jetzt sein Foto zur Verfügung. Hier ist neben dem getöteten löwen sogar der mitlaufende Hund deutlich zu erkennen.

Als ich Plamena von meinen Wanderplänen in Schumens Umgebung erzählte, warnte sie mich davor, allein wandern zu gehen. In den letzten Tagen sei einem reichen Bulgaren ein schwarzer Puma entlaufen und noch nicht wieder eingefangen worden. Er soll allerdings ein paarmal von Bürgern gesehen worden sein.

An einer Kreuzung befragte ich zwei etwas ältere Herren danach. Sie meinten, das wird einfach nur so erzählt und stimme nicht. Es sei wohl eher mit dem Bau von NATO Luftüberwachungstechnik auf dem Felsplateau verbunden. Und man wolle dort nicht so viele Fremde sehen. Wir nahmen am Boulevard ein paar Morgengetränke ein.


Der Espresso trinkende Herr war Dreher im hiesigen MADARA Lastkraftwagenwerk, welches die Wende nach 1990 nicht überstanden hat. MAN kaufte es mit der Maßgabe der Unternehmensfortsetzung. Übernahmen die Kundenkontakte. Etwas später entließen sie alle Beschäftigten, na das kommt einem doch bekannt vor? Mit ihm konnte ich mich recht gut in russischer Sprache unterhalten. Der linke Herr daneben kam aus der Sicherheitsbranche und sprach ganz gut Englisch. Auch er verstand kaum deutsche Wörter. Plötzlich begann er mit einem Lächeln folgendes Lied komplett (!) in deutscher Sprache zu singen:

“ Ich trage eine Fahne und diese Fahne ist rot. Es ist die Arbeiterfahne, die…“ Es war wohl eine kleine Erinnerung an frühere Pionierlagerzeiten.

Sie boten mir an, mit ihrem Auto und einen weiteren Bekannten zum Monument hoch zu fahren. Der Freund war aber nicht erreichbar und ich erhielt von Antonia einen Anruf, dass sie von 14 bis 16 Uhr eine Pause hat. Sie würde sich freuen, wenn ich ihren Deutschkurs ein bisschen bei einer Tasse Tee ergänzen könnte. Ich sagte ihr zu, zumal auch bereits avisiert war, dass sie mich am nächsten Wochenende nach Gabrovo mitnehmen könnte, wo sie ein Seminar besuchen müsse.

Wir trafen uns in einem historischen Gebäudekomplex, in dem sich regelmäßig Literaturinteressierte versammeln. Zum Abend bin ich noch zum Monument gewandert. Es ging ziemlich steil viele Treppen empor.

Oben angelangt hatte ich eine sehr gute Fernsicht und konnte sogar das Haus meiner Gastgeber erkennen.

Die Tombul Moschee in Schumen ist die drittgrößte des Balkans und wie bei jedem bisherigen Besuch freute ich mich darauf.

Einige Tage später sah ich diese Moschee in nächtlichem Gewand.

Die neben dem Brunnen gelegene Bibliothek kann momentan wegen Bauarbeiten nicht besucht werden. Ich hatte erstmals das Glück, in die Medresse gehen zu können.

Und ganz besonders überwältigt einen das Innere der am Ende des 18. Jahrhundert erbauten Tombul-Moschee.

Abends wurde mit Plamenas Söhnen Mitko und Matei gemeinsam gegessen, die Katze Mischka nutzte gleich die Möglichkeit, den Platz vom Fotografen einzunehmen.

Als der Vater Jewgeni von der Arbeit zu Hause war, gab Mitko ein Gitarrenkonzert. Die Söhne sind im Abiturjahrgang und Mitko hat den Wunsch, in Sofia am Konservatorium Popmusik zu studieren.

Heute hatte ich mir vorgenommen, die alte mittelalterliche Stadt stari grad zu besuchen. Dazu nahm ich das Angebot an, ein Mountainbike der Jungs zu nutzen. Stellte aber fest, dass reparaturtechnisch einiges zu tun war. Im Bereich des ehemaligen Güterbahnhofs fand ich professionelle Hilfe.

Auf dem Weg zum Festungsmuseum stari grad ging es auf den letzten Kilometern sehr steil bergauf. Im Museum erfuhr ich, dass die Thraker 3.000 Jahre vor Christus die erste Festung hier errichteten. Später waren die Römer, die Bulgaren und zwischendurch Byzanz die Herren über das Felsenplateau. 1388 wurde sie von den Osmanen eingenommen und 1444 eroberten die Kreuzritter um den polnisch-ungarisch-kroatischen König Wladislaw von Warna die Stadt, brannten sie völlig nieder und machten sie unbewohnbar. Seitdem sind die Bewohner hinunter ins Tal gezogen.

Am Abend habe ich mir erstmalig ein Erst-Liga-Basketballspiel angesehen. Es spielte die einheimische Mannschaft gegen Botew Wratza. Es ist knapp 10 Meter neben der Seitenlinie ein anderes Erlebnis als im Fernsehapparat zu schauen. Schumen verlor und konnte somit als Letzter den Abstand zu den davor stehenden Mannschaften nicht verringern. Die Begeisterung war aber dennoch sehr groß insbesondere bei den Jungs und bei einigen Frauen.

Von den christlichen Kirchen hatten mich besonders zwei beeindruckt. Die älteste Kirche und 1829 eingeweihte Saint Ascension sowie die um 1850 eingeweihte sowie1948 rekonstruierte Kirche der Heiligen drei Hierarchen.

In der ersten Kirche hatte ich ein nettes Gespräch mit einer Gläubigen, die Aufsicht hatte. Ihre Tochter arbeitet in Hamburg und ich bemerkte größere innere Bewegung, als sie bei sich vergeblich ein Foto ihrer Tochter suchte.

Bei manchen Ikonen erkannte ich eine Sticktechnik, welche genau der entsprach, die Radoslawa seit vielen Jahren nach Mustervorlagen anwendet.

Die Kirchenwände und Decken waren sehr dunkel gehalten. Der Raum wirkte nur heller durch das in großem Maße von der Seite hinein fallende Tageslicht.

Der Kirchensaal befand sich in einer langen Halle und das rechts von diesem befindliche Gebäude nutzt der Pastor mit seiner Verwaltung.

Einen völlig anderen Eindruck auf mich machte die bereits erwähnte Kirche der drei Heiligen direkt im Stadtzentrum.

Ich sah eine Malerrüstung und der Restaurator wollte gerade hinauf klettern. So fragte ich ihn, ob ich mit hinauf gehen könne und ob er etwas dagegen hätte, dass ich Fotos machen wolle. Ich erfuhr, dass er Alexander heißt und mit einem ukrainischen Kollegen seit 4 Jahren die Malereien in dieser Kirche erneuert.

Es scheint fast so, als ob ihm bei der jahrelangen Arbeit Flügel gewachsen sind. Es soll nicht respektierlich (bzw. respektlos) klingen, erinnert er auch an eine andere Persönlichkeit der Christenheit.

In Schumen wird in mehreren Museen an hervorragende Persönlichkeiten gedacht, die hier gewirkt hatten. So z. B. der bedeutendste bulgarische Musiker Pancho Wladigerov.

Hier ist bemerkenswert, dass die Tradition lebendig gehalten wird, indem in einem Musiksaal Konzerte gegeben werden. Manchmal musizieren hier direkte Nachfahren des Musikers.

In der gleichen Straße, Zar Osvoboditel Straße, wird an den bekannten Führer der ungarischen Revolution 1848/49 Lajos Kossuth gedacht, der sich im Exil vier Monate in Schumen mit weiteren Weggefährten aufhielt.

An dem großen Hausstand ist zu erkennen, dass in diesem Komplex mehrere Personen zusammen lebten.


8 Im Auge Gottes

Im Bulgarienurlaub mit Monika im September 2019 hatte Jewgeni uns für eine Woche seinen Ford PKW für eine Rundreise ausgeliehen. Dabei versuchten wir, die Kinder von früheren engen bulgarischen Freunden zu finden. Sie heißen Ina und Tomislaw und wohnten in Gorna Mitropolia, einem kleinen Dorf bei Plewen. Die Eltern sind inzwischen verstorben. Wir hatten 2019 in der Dorfgaststätte die Information erhalten, dass sie momentan leider im Urlaub sind. Unsere Bitte um Nachforschung hatte leider kein Ergebnis gebracht.

In diesem Jahr konnte ich das Auto von Jewgeni nicht ausleihen. Ich hatte keine Möglichkeit gefunden, in Schumen gewerblich für einige Tage ein Auto zu mieten. So war ich sehr erfreut, dass Damjan, ein guter Bekannter von Plamena mir für zwei Tage seinen Subaru Legazy zur Verfügung gestellt hat.

Bei der Durchfahrt durch das kleine Dorf Chudomir wurde ich aufmerksam auf eine kleine Moschee und legte eine Pause ein.

Dschamija in Chudomir

Zu meiner Überraschung war sie geöffnet und ich ging hinein. Ich war sehr überrascht vom Inneren der Räume.

In den 70er Jahren waren wir des Öfteren im Dorf Jankovo im Tal der Kamtschia. Es hieß – wegen der prächtigen Südfrüchte und insbesondere wegen der Pfirsiche – das bulgarische Kalifornien. Hier lebte ein recht hoher Anteil an Türken. Unser Bekannter Osman war ein stolzer Bauarbeiter. Wir besuchten ihn über Jahre hinweg häufig auf seiner Baustelle, dem Theater von Schumen.

Bei meinem diesjährigen Besuchin Jankovo bemerkte ich den einfach aufgebauten Gebetsturm und sah ein von Türken verlassenes Haus, in dem wir früher ein paar Mal weilten.

In Gorna Mitropolija angekommen, erfuhr ich von der Bürgermeisterin des Ortes, Frau Atanaska Wasiljewa, dass beide Gesuchten inzwischen weggezogen sind. Sie hatte des Weiteren erfahren, dass ihre Mutter Tomislaw in der Schule des Ortes unterrichtete. Die momentane Adresse sei ihr nicht bekannt. Sie versicherte mir, dass sie uns bei der Suche unterstützen wird.

Plamena empfahl mir, die bekannte Höhle in der Nähe von Prochodna namens „IM AUGE GOTTES“ zu besuchen, weil sie unweit von Plewen liegt. Ich habe den Ort unproblematisch gefunden. Unmittelbar vor dem Höhleneingang befindliche Händlerkleintransporter erleichterten mir die finale Suche.

Neben einem großen flachen Wiesenbereich türmte sich eine bewaldete Felsenwand auf. Der schmale Weg führte hinab und hinter Sträuchern und kleinen Bäumen erschien ein gewaltig großes Tor vor mir. Die größte Höhe in der 262 Meter langen Karsthöhle beträgt 48 Meter.

Unmittelbar am Höhleneingang

Nach einigen Metern begann es ständig zu tropfen und der Weg wurde rutschig. Größere Felsbrocken lagen in der Höhle. Von der Decke herab schien Licht in die Höhle, was auf Öffnungen in der Höhlendecke hinwies.

In der Felsformation glaubte ich Augen zu erkennen. Ich vermutete, dass daher möglicherweise der Name der Höhle „Im Auge Gottes“ herrührte. Später erfuhr ich, dass die beiden großen Öffnungen in der Decke der Höhle ihren Namen gegeben haben. Eine andere Erklärung besagt, dass man durch diese beiden Öffnungen in die Augen Gottes schauen kann. Ich fühlte mich eingetaucht zu sein in etwas Großes, Besonderes und Einmaliges. Am Höhlenausgang breitete sich vor mir wieder das farbenprächtige Durchbruchstal aus.

Diese Höhle ist die größte Höhle Bulgariens und beeindruckte mich enorm, wie ich es in Videos in meinem Status bei WhattsApp Interessenten vermittelte.

Von dem Höhlenausgang bis zum Felsenkloster führt eine steile Treppe wie im Folgenden zu sehen ist.

Tief bewegt trat ich die Weiterreise an. In unmittelbarer Nähe sah ich eine Kalksteinlandschaft, die mich an die bekannte und faszinierende irische Mondlandschaft THE BURREN erinnerte. Etwas weiter fuhr ich direkt an einen Marmorsteinbruch vorbei.

Bedingt durch einen Mega-Stau etwa 100 km vor Sofia änderte ich meinen ursprünglichen Plan und fuhr wieder zurück bis zum Städtchen Bjala. Dort erhielt ich in einem Motel noch spät abends ein Zimmer. Die Suche in der Stadt verlief vorher erfolglos.

Hier noch eine kurze Bemerkung zum Thema Antrieb. Dieser Subaru wird mit Gas betankt und die Reichweite beträgt etwa 240 km, wie mir Damijan sagte. Auf der Hinfahrt führte das bei mir zu etwas Unruhe bzw. Nervosität. Wie dicht das Gastankstellennetz ist, wusste ich nicht. In Popovo hatte ich einen Kilometerstand von 185 km und ich entschloss mich, noch nicht zu tanken. Aber zu meiner Überraschung war auf einer Strecke von 50 km bis Bjala keine einzige Gasbetankungsmöglichkeit. So war ich heilfroh, dass ich nach 235 km die Tankstelle in Bjala gerade so erreichte.

Ich erreichte unvorhergesehen zeitig wieder Schumen und konnte so das Auto für kleinere Fahrten nutzen. Am Abend war ein gemeinsames Abendessen und die Rückgabe des Subarus geplant.

Das bekannte Kostadins Höhlenkloster sowie die Felsformation „DAS AUGE“ liegen nur etwa 14 km von Schumen entfernt. Es sind gern besuchte Orte, auf die auch in den regionalen Touristeninformationen hingewiesen wird.

Vom Dorf Osmars waren ca. 3 km auf einem Waldweg zu wandern bis sich die Felsen steil aus der Ebene hervorheben. Zum Klostereingang musste ich eine nicht ungefährliche steile Treppe hinauf steigen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Klosterbrüder früher keine Treppe hatten. Möglicherweise hieß es früher ähnlich wie im Märchen: „Rapunzel lass dein Haar herunter…“. So könnte das Kloster effektiv vor Überfällen geschützt worden sein.

Besonders der Übergang von der Treppe auf den ehemaligen Klosterfußboden erforderte Geschick und etwas Mut. Die phantastischen Ausblicke erfreuten umso mehr das Herz.

Die Räume waren recht groß, so dass es sich die Klosterbrüder, die zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert während des zweiten bulgarischen Reiches hier lebten, gut einrichten konnten.

Dieses ehemalige Felsenkloster wird auch heute als Pilgerstätte genutzt. Es ist aber nicht so ohne weiteres möglich hinein zu kommen, wie ich bereits erwähnte.

Ohne direkt nach dem „Ei“ gesucht zu haben, fand ich es beim weiteren Berg hinauf gehen durch ein Hinweisschild.

Ohne ein bestimmtes Ziel im Auge zu haben, ging ich noch weiter hinauf. Auf dem Kamm angelangt, wurden meine Mühen mit einem phantastischen Herbstwald belohnt.

Abends erfuhr ich, dass die Gattin von Damjian in Sandanski geboren ist, und dass sie genau wie ich im Gymnasium eine Mathematikklasse besuchte. Sie freute sich, Neues aus ihrem Heimatort zu erfahren. Dass es in Sandanski eine Baptistenkirche gibt, war beispielsweise für sie völlig neu. Auch war Damjan bisher nicht aufgefallen, dass es an wichtigen Landstraßenverbindungen solche großen Löcher im Gastankstellennetz gibt.

9 Wo Krassimir Balakow das Kicken lernte

Für das Wochenende in Gabrovo empfahl mir Plamena, den Wasserfall Hostenitza zu besuchen. Er liegt etwas nordwestlich von Veliko Tarnovo.

In Gabrovo angekommen, fuhr Toni mit ihrer Bekannten zur Seminarstätte weiter und ich sah mir das Stadtzentrum an. Ich buchte mich in einem Hotel ein.

Durch Gabrovo floss die tosende Jantra, vom Balkangebirge her kommend.

Am Sonntag bestand die Möglichkeit, um 9 Uhr mit einem Bus nach Veliko Tarnovo zu fahren.

Gabrovo ist die ungekrönte bulgarische Hauptstadt des Humors und der Satire. Auf dem Weg zum Busbahnhof ging ich an dem diesbezüglichen Museum vorbei. Leider öffnete es erst um 9 Uhr. So konnte ich mir nur die Skulpturen des bulgarischen Volkshelden Hitar Petr sowie von Sancho Panza ansehen.

Direkt vor dem Museumseingang ist der bulgarische Gegenspieler zu Nasreddin Hodscha platziert. In den Erzählungen wollte Hitar Petr dem Nasreddin immer austricksen oder klüger als er sein. Das war bestimmt eine der vielfältigen Möglichkeiten zum Widerstand gegen die mehr als 400-jährige Besetzung Bulgariens durch das Osmanische Reich.

Den Fahrer des Kleinbusses informierte ich über meinen Wunsch, den Wasserfall von Hostenitza zu besuchen. Er wusste auf die Schnelle keine geeignete Lösung und so fragte er die mitfahrenden Passagiere, ob jemand wisse, ob aus V. Tarnovo ein Bus nach Hostenitza fahren würde? Er unterbreitete mir als einzig brauchbare Idee, seinen taxifahrenden Freund anzurufen und mit ihm zu vereinbaren, dass er dort bleiben würde, um mich wieder zurück zu fahren. Diese Hilfsbereitschaft ist mir des öfteren auf meiner Reise begegnet.

Nach ca. 10 Minuten ging es mit dem Taxi los und der Fahrer war froh, daß er in russischer Sprache mit mir plaudern könne. So verriet er mir, dass der bekannte bulgarische Fußballspieler und jetzige Nachwuchsförderer Krassimir Balakow in Hostenitza geboren ist. Seine Eltern leben auch heute noch in diesem kleinen Dorf. In der benachbarten ehemaligen Hauptstadt des zweiten Bulgarischen Reiches V. Tarnovo begann er seine große Fußballerkarriere.

Vor mir breitete sich ein beeindruckendes in Herbstfarben gemaltes Bild des Wasserfalles aus.

Wer mich so einigermaßen kennt, wird schon ahnen, welche Idee so in mir schlummerte. Ja! Ich musste rein…


…und ich konnte mich nicht über zu wenig Zuschauer beschweren.

Die Wanderung entlang an den fast senkrecht abfallenden Felsklippen war ebenfalls beeindruckend.

Ich bin später mit dem Zug nach Gabrovo durch ein Durchbruchstal der Jantra gefahren. Da war die Zugdurchfahrt durch eine gefühlt ähnlich enge Felsspalte wie auf der Aufnahme.

Oben angekommen ergaben sich faszinierende Bilder von Bewegung und Ruhe nur wenige Meter voneinander entfernt.

Beim herunter gehen bot sich mir dieser Rück-Blick:

Der Taxifahrer fuhr mich auf meinen Wunsch stadtauswärts von V. Tarnovo bis zu einer Jantrabrücke.

Wie sich später herausstellte, war es keine gute Idee von mir. Es wäre besser gewesen, mich an einer Bahnstation oder an einem Busbahnhof absetzen zu lassen. Mein Versuch zu trampen scheiterte mehr oder weniger. Nach etwa 25 Minuten hielt endlich ein Autofahrer. Er sagte mir, dass er an der ersten Kreuzung abbiegen würde von der Straße in Richtung Gabrovo. Er ließ mich aber nicht an der Kreuzung aussteigen sondern fuhr bis zu dem kleinen Ort Debeletz weiter. Freundlicherweise erkundigte er sich für mich hinsichtlich Fahrtmöglichkeiten nach Gabrovo am Sonntag. Busse schienen nicht zu fahren. Es gibt nach weiteren 2 Kilometern eine Bahnstation.

Als wir dort ankamen erfuhren wir, dass ich gerade den 12 Uhr-Zug verpasst hatte. Der nächste Zug fuhr erst kurz vor drei. Jetzt wurde es eng, weil ich etwa um 16 Uhr wieder bei Toni in Gabrovo sein wollte. Aber Ruhe und Entspannung war angesagt; auch nicht schlecht. Die Badehose sowie gesammelte Herbstblätter wurden getrocknet sowie der Bahnhof inspiziert. Ich habe mich auch gefragt, wann habe ich das letzte Mal Herbstblätter gesammelt? Beim Spielen mit unseren Kindern war es eher Monikas Sache. Es wird Ende der Grundschulzeit Anfang der 60er Jahre gewesen sein …

Skizzen, die ich hier nach vielen Jahren Pause mal wieder angefertigt hatte, eigneten sich nicht zu zeigen.

Es fiel mir noch etwas auf: Französisch ist m. E. seit dem 19. Jahrhundert ( in Europa ) die Beamtensprache. Im Postbereich ist das wohl noch so, aber bei der Eisenbahn? Ich sah, dass alle Bezeichnungen in bulgarischer und französischer Sprache angegeben waren, z. B. für Warteraum SALLE DE´ATTENTE. Das Chefbüro konnte ich sogar auf Bulgarisch und Französisch verstehen: Natschalnik bzw. CHEF DE GARRE. Und das Büro für denjenigen der die Arbeit macht, heißt sinnvollerweise Dvischenije (Verkehr) bzw. MOVEMENT.

Wie ist das aber bei unserer Bahn? Ich kann mich bei den Zugfahrten in der Oberschulzeit erinnern, dass unten an den Fensterscheiben stand “ e pericoloso sporgersi „. Was wir mit “ nicht hinaus lehnen während der Fahrt “ übersetzten. Wir vermuteten, dass dies eine italienische Redewendung ist. Aber weitere ausländische Begriffe für die Bezeichnung von Gegenständen in Zugwagons fielen mir nicht ein. Kumpel Rolf meinte auf den Wasserhähnen in den Toiletten manchmal „freddo“ oder „caldo“ gelesen zu haben. In Bulgarien wird bei der Bahn auch heute noch Französisch verwendet und bei uns traf das auf die italienische Sprache zu. Aber warum?

Der Fahrdienstleiter gestattete mir einen Blick in seinen Dienstraum.

Bei der Abfahrt für den nach Tarnovo fahrenden Zug konnte ich ihn bei einer Amtshandlung beobachten:

Obwohl ich mich fast drei Stunden Zeit auf dem Bahnhof aufhielt, kam ich nicht auf die Idee, mir eine Fahrkarte zu kaufen. Es gab auch dafür keinen speziellen Schalter. Es wurde in der Abfahrtstabelle als Zielort Gabrovo angegeben, so ging ich davon aus, nicht umsteigen zu müssen. Ein Mitfahrender machte mich aber freundlicherweise an einem Bahnhof darauf aufmerksam, dass alle Reisenden nach Gabrovo hier umsteigen müssen. Als wir im nächsten Zug waren, fragte er mich, ob ich keine Fahrkarte habe. Dort wäre ausgewiesen, dass einmal umgestiegen werden müsse. Wie beim “ Wink mit dem Zaunpfahl “ erschien auch sofort die Schaffnerin…

… kassierte mich ohne Strafzuschlag ab. Ihr könnt euch aber vorstellen, wie ich mich in diesem Moment fühlte.

Ich hatte Toni inzwischen über die aktuellen Entwicklungen informiert. Das Seminar endete drei Stunden früher als vorgesehen und die beiden Frauen haben den ursprünglich gemeinsam vorgesehenen Besuch des Museumsdorfs Etr im Balkangebirge vorgezogen.

Sie erwarteten mich am Bahnsteig und es konnte sofort wieder zurück nach Schumen gehen. Ein erlebnisreicher Tag ging zu Ende. Ich bedankte mich bei Plami für den Hinweis zum beeindruckenden Wasserfall und bei Toni für die beiden Ausflüge nach Varna und Gabrovo.


10 Abschiedsrunde

Auf meiner Abschlussfahrt auf dem Mountainbike hatte ich Orte besucht, auf denen ich mich vorher schon wohl gefühlt hatte aber auch neue. Eine irgendwie magische Wirkung übte auf mich der historische türkische Brunnen aus, der sich am südlichen Hang oberhalb der Tombul-Moschee befindet.

Als die Sitzplätze um den Brunnen mal nicht genutzt wurden, bemerkte ich die Vielfalt der gestalteten Sitze vom Zweibeiner bis zur Pappunterlage.

An diesem Nachmittag traf ich Mehmed erneut, den 69-jährigen Türken. Es war aber mehr die Art, mit Händen und Füßen zu sprechen. So wie 1979 die dreijährige Plamena mit unserem ein Jahr jüngeren Sohn Christian kommunizierten.

Auf dem Weg zu einem beeindruckenden Haus auf der anderen Talseite hatte ich folgenden Blick auf die Moschee und den Uhrturm (etwas links von der Moschee).

Im Haus des am Ende des 19. Jahrhunderts erfolgreichen iranischen Teppichherstellers und -verkäufers Ovanes Avsharyan ist eine ethnografische Ausstellung eingerichtet worden. Sie wurde 2017 mit dem Titel „Museum des Jahres“ ausgezeichnet.

Zwei Mitarbeiterinnen des Museums begrüssten mich sehr freundlich. Sie boten mir sogar eine Tasse Kaffee mit Süßigkeiten an.

Das dreistöckige Haus des Teppichhändlers ist luxuriös und beeindruckend.

Die Frage der Museumsmitarbeiterin zur Art der Nutzung der gezeigten Tasse konnte ich aus eigener Erfahrung schnell und kompetent beantworten.

Vermutlich wird die Ausstellung manchmal von Kindergruppen besucht, wie eine Zeichnung im Eingangsbereich das vermuten lässt.

Ich begab mich danach in Richtung des neuen Stadtzentrums. Direkt an der Hauptstraße liegt eine Offiziershochschule der bulgarischen Landstreitkräfte. Es fiel mir schon immer ein gelbes Haus rechts neben diesem Gebäudekomplex auf. Überraschenderweise durfte ich hinein gehen und erhielt sogar vom Sicherheitsmann Boris eine persönliche Führung. Er sagte mir, dass das Haus von 1901 bis1903 als Haus der Armee ( dom wojna ) errichtet wurde. Heute ist es mehr Museum bzw. Kulturstätte. Es lief gerade ein Kinofilm.

Stolz zeigte er mir den großen Festsaal.

Etwas später war ich in der Tourist Information. Ich berichtete der Mitarbeiterin Frau Jordanowa bei einem Besuch in der Tourist Information von dem Saal in dem Haus der Armee. Darauf sagte sie mit begeisterter Stimme: „Oh! In diesem Saal waren meine Mutter und ich sehr häufig tanzen. Es war immer eine besondere Freude.“

Im Biergarten bemerkte ich einige für mich verdächtige Zeichen. Boris, ein ehemaliger Feldwebel, versicherte mir, dass das nichts Verbotenes sei.

Mit Plamena hatte ich mich 15 Uhr vor dem Theater verabredet. Es war uns aufgefallen, dass wir noch nie auf einem gemeinsamen Stadtspaziergang waren.

Pünktlich wartete sie am Theater.

Danach besuchten wir eine Kaffeebar sowie das Kindertheater.

Der Zugang erfolgt über die Außentreppe. Plami zeigte mir ein von Kindern gefertigtes Gemälde, welches sie in Vorbereitung auf die Premiere eines Stückes unter ihrer Begleitung anfertigten.

Sie war hier vor Jahren in verschiedenste Projekte mit Kindern und Jugendlichen eingebunden. Sei es zur Verschönerung des Stadtbildes oder zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. Als ich ihr folgendes Bild zeigte, war sie sehr traurig.

Auf Höhe des Hotels SCHUMEN wurde vor gut 30 Jahren ein Fußgängertunnel errichtet. Um es vor Verunkrautung zu schützen gab es immer mal TIMUR UND SEIN TRUPP – Einsätze (wie wir sie früher nannten). Heute ist die Unterführung gesperrt und die Natur übernimmt das Zepter.

Wir haben danach ein dreistöckiges kommunales Galeriegebäude besucht. Es lief eine Ausstellung mit Gemälden einer bekannten bulgarischen Malerin, die um 1900 im Stil des Impressionismus arbeitete.


Am Abend bin ich noch zum Gemüsemarkt, um für zu Hause einzukaufen. Dort plauderte ich mit der strickenden Weselin. Sie gehörte zu den vielen Angesprochenen, die gegen einen kleinen Plausch nichts einzuwenden hatten und auch das „Fotografiert werden“ mit einem Lächeln gestatteten.

Zu Hause gab es ein Abschiedsessen und …

… Abschiedsstreicheln.

Plamena hatte für die Hinfahrt zum Flughafen in Varna Plätze in einem Sammeltaxi bestellt. Dort bemerkten wir eine größere Gruppe von Fotografen und Journalisten.

Sie erwarteten die bulgarische Mannschaft Ludogorets Rasgrad zu ihrem Abflug nach Budapest. Innerhalb der Europa Liga spielten sie am nächsten Tag bei Ferencvaros (und verloren bei einem Spiel mit vielen Chancen auf beiden Seiten mit 1:3). Als bulgarischer Meister der vergangenen Saison hatten sie die Startberechtigung für diese internationalen Spiele erworben.

Der bulgarische Sportjournalist Stanimir Simeonow ermöglichte mir ein kurzes Gespräch mit dem deutschen Torwart Hendrik Bonmann, der in dieser Mannschaft spielt.

Der Flug nach Berlin verlief unproblematisch. Da ich einen Fensterplatz hatte, war ich selbst im Sitzen, wie die vier Wochen vorher, immer in einer gewissen Unruhe. Hatte aber leider das Fotografieren eines vorbei fliegenden Passagierflugzeuges verpasst. Da die auf der Erde befindlichen Fotoziele weniger dynamisch waren, glückte es mir, die Südkarpaten sowie den Müggelsee mit -heim ins Bild zu bekommen. Der Müggelsee hat für mich eine besondere Bedeutung, weil ich mitten auf dem See mit meinem Kanu in den 90er kenterte. Glücklicherweise rettete mich ein in der Nähe befindliches Schiff.

Eine erlebnisreiche Reise ging zu Ende. Besonders Plamena und Rolf gilt der Dank für gemeinsamen Tuns, Monika dafür, dass sie mich vier Wochen „ziehen ließ“ und Tochter Katja wünschte alles Gute, indem sie mit zwei schicken orangefarbenen Mützen für unser auffälliges Äußeres beitrug, mit der Aleppo Seife für ordentliche Körperpflege sorgte und auch noch Kompass und ähnliche Outdoorhilfen mir schenkte.